Sie sind kompetent, günstiger als Großkanzleien und jederzeit einsetzbar. Alternative Rechtsdienstleister vermitteln Interimsjuristen oder bieten ihre Services technologiegestützt mittels Legal-Tech-Lösungen an. Während der Markt weltweit deutlich wächst, ist Deutschland noch zurückhaltend.
Der Markt für sogenannte Alternative Legal Service Provider (ALSP) hat weltweit stark zugenommen. Er ist in nur zwei Jahren um rund 40 Prozent auf 28,5 Milliarden US-Dollar gewachsen, wie neue Forschungsergebnisse zeigen. Die Ergebnisse des alle zwei Jahre erscheinenden Berichts über den ALSP-Markt vom Thomson Reuters Institute, dem Center on Ethics and the Legal Profession der Georgetown Law School in den USA und der Saïd Business School der Universität Oxford wurden bereits im Januar veröffentlicht. Er basiert auf den Antworten von mehr als 400 Anwaltskanzleien und mehr als 200 Rechtsabteilungen von Unternehmen in Nordamerika, Großbritannien, Europa und Australien.
2015 lag das Marktvolumen noch unter einer Milliarde US-Dollar, 2019 bereits bei knapp 14 Milliarden. Von den aktuell ermittelten 28,5 Milliarden entfallen laut Bericht 25,1 Milliarden US-Dollar auf unabhängige ALSPs, 1,8 Milliarden US-Dollar auf solche, die mit Anwaltskanzleien verbunden sind und 1,6 Milliarden US-Dollar auf die vier großen Wirtschaftsprüfer. Obwohl der prozentuale Anstieg des Marktvolumens geringer sei als in den beiden Vorjahren, zeige die jüngste Zahl dennoch, dass der ALSP-Markt viel schneller wachse als der Markt für traditionelle Rechtsdienstleistungen, heißt es in dem Bericht.
Kosten und Kapazitäten
Bevorzugte Einsatzbereiche für ALSPs sind Projektsteuerung, Vertragsreviews, Vertragsmanagement, Corporate Housekeeping und die Abwicklung von Massenverfahren. Als Hauptgründe für den Einsatz von ALSPs gaben die befragten Unternehmen Kosten, Fachwissen, Effizienz und Arbeitskapazität an.
Auch in Deutschland gibt es seit einigen Jahren alternative Rechtsdienstleister. Allerdings wächst der Markt hier deutlich langsamer als im internationalen Vergleich. Aber was macht ein Alternative Legal Service Provider eigentlich genau? Grob gesagt gibt es zwei Gruppen. Zum einen gibt es Dienstleister, die rein auf personelle Ressourcen setzen. Sie vermitteln Interimsjuristen an Rechtsabteilungen und Kanzleien. Wenn dort ein Engpass entsteht, stellen die Dienstleister ihnen Anwälte für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung. Beispiel: die Pinsent Masons-Tochter Vario Legal. Die zweite Gruppe sind die technischen Dienstleister, die, wie der Name schon sagt, vor allem auf technische Unterstützung bei der Erbringung von Rechtsdienstleistungen setzen. Klassisches Beispiel in Deutschland ist Fieldfisher X.
Vor allem Rechtsabteilungen nehmen die Dienste von alternativen Dienstleistern in Anspruch. In Deutschland sind Unternehmen allerdings noch sehr zurückhaltend. Laut einer Studie von EY Law aus dem Jahr 2022 nutzen nur 6 Prozent der befragten deutschen Rechtsabteilungen ALSPs. Zum Vergleich: Weltweit sind es rund 80 Prozent, vor allem in den USA und Asien sind die Anbieter sehr gefragt.
Kommen und Gehen bei deutschen Anbietern
Einer der globalen Pioniere in diesem Markt ist Axiom, das schon vor mehr als zehn Jahren den US-Markt aufmischte. Kerngeschäft des Unternehmens ist die Vermittlung von Rechtsanwälten für den Inhouse-Einsatz – projektbasiert über einen bestimmten Zeitraum. Diese Leistung bietet es zu deutlich günstigeren Stundensätzen an und rüttelte damit schon früh am Geschäftsmodell etablierter Kanzleien.
In Deutschland gehörten Unternehmen wie Perconex oder Xenion Legal zu den Ersten, die Projektjuristen an Unternehmen verliehen. Perconex, 2005 gegründet, ist mittlerweile Geschichte. 2018 erwarb das Züricher Private-Equity-Haus Kieger Capital die Mehrheit an Perconex, unter anderem von den Gründern, die sich rückbeteiligen ließen. Zu Beginn lief es nach JUVE-Informationen noch gut mit Perconex. Als die Dieselwelle dann allerdings abebbte, holte Kieger den Konkurrenten Flex Suisse ins Boot. Der Deal führte zum Ausstieg von Perconex-Gründer Olaf Schmitt und später zur Umwandlung von Perconex in Flex Suisse. Auf das Geschäft hatte dies alles wohl keine positiven Auswirkungen. Bis Ende 2023 sank der Umsatz, dann zog Kieger die Notbremse.
Xenion Legal ging 2012 an den Start und wurde 2019 Teil der Pinsent Masons-Tochter Vario Legal, die heute von 16 Standorten aus weltweit agiert. Unternehmen vom Start-up bis zum Dax-Konzern nutzen die Dienste der Projektjuristen von Vario für Kapazitätsengpässe, als Transaktionssupport oder als Interimsmanager bei großen Projekten.
Deutsche Erfolgsstorys
Reine Personaldienstleister für Juristen gibt es in Deutschland nur noch wenige. Auch Axiom zog sich 2020 aus dem deutschen Markt zurück. Mit Blick auf den Vormarsch künstlicher Intelligenz in der Rechtsberatung ist die Zukunft eines rein auf personelle Ressourcen begrenzten Angebots ohnehin fraglich. Wohl auch deshalb setzen die meisten alternativen Dienstleister auf technische Unterstützung in der Mandatsarbeit – teilweise kombiniert mit unterschiedlichen Professionen wie Projektmanagern und Legal Engineers. Ein prominentes Beispiel ist Fieldfisher X, der Legal-Tech-Arm der britischen Kanzlei Fieldfisher, der sich als eigenständige Rechtsanwaltsgesellschaft auf das Erbringen skalierbarer Rechtsdienstleistungen spezialisiert hat. Anfang 2022 gegründet, hat Fieldfisher X heute 36 Mitarbeitende, darunter Juristen, Programmierer, Legal Engineers und Produktmanager. Der Fokus liegt auf Automatisierung und Technologie. Die Kanzleitochter entwickelt eigene Lösungen für Dienstleistungen in Produktfeldern wie Massenverfahren und Vertragsautomatisierung. Fieldfisher X hat eigene Mandanten wie den US-Konzern LinkedIn und arbeitet in vielen, aber nicht allen Fällen auch mit den Anwälten von Fieldfisher zusammen.
Erfolgreich am Markt der alternativen Rechtsdienstleister ist auch die Hamburger Clarius Group. Sie zählt mittlerweile mehr als 200 Kunden – von klein- und mittelständischen Unternehmen bis zu internationalen Großkonzernen. Darunter befinden sich nach eigenen Angaben Bosch, Samsung, Trivago und Vodafone. Die Clarius Group bildet das Dach über vier spezialisierten Gesellschaften: der Clarius Legal Rechtsanwaltsaktiengesellschaft, der Clarius Data & Security GmbH, der Clarius Services GmbH und der Janolaw GmbH, die Software für Kleinunternehmen zur Verfügung stellt.
Konkurrenz für die Big Four?
Die Gruppe kombiniert eigenentwickelte, KI-gesteuerte Softwarelösungen mit persönlicher Beratung durch Legal Consultants und andere Expertinnen und Experten. Erst vor wenigen Wochen erweiterte sie ihr Spektrum und übernahm den Bereich Finance Operations für einen Konzern aus dem Bereich Consumer Electronics. Dafür gründet sie das spezialisierte Tochterunternehmen Clarius Services. Mit der Erweiterung rückt Clarius ihr Angebot stärker an das der Big-Four-Gesellschaften heran.
Von 2017 bis 2023 war Clarius Legal Teil der Mittelstandskanzlei Schalast. Bereits als Tochter von Schalast war Clarius Legal stark gewachsen. Der Umsatz verdreifachte sich auf rund 4 Millionen Euro, die Mitarbeiterzahl stieg von 4 auf 30. Heute sind es mehr als 100 Beschäftigte, der Umsatz liegt eigenen Angaben zufolge im zweistelligen Millionenbereich. Grund für die Trennung war unter anderem, dass sich die Beherrschung durch eine Kanzlei auf unterschiedlichen Ebenen als Hemmschuh für die Geschäftsentwicklung erwiesen hatte.
Kombination aus Tech und Jura ist die Zukunft
Ebenfalls aus Hamburg kommt Eagle LSP. Das 2019 gegründete Unternehmen bietet spezialisierte Legal Services insbesondere zur effizienten Bearbeitung von juristischen Massenprozessen. Im Kern zählen dazu Verfahrensunterstützung bei Massenverfahren, eDiscovery Services, Auslagerung juristischer Dienstleistungen und die Analyse großer Dokumentenmengen. Eagle LSP setzt dabei auf eine Kombination aus juristischem Know-how und technologischen Lösungen wie Legal Tech und Data Science. Zu den Kunden gehören Großkanzleien, Ermittlungsbehörden und Unternehmen.
Der alternative Dienstleister Eqwal wurde 2021 von Alexander Aran, Patrick Kusak und Daniel Biene gegründet, dem früheren General Manager von Axiom für Deutschland und die Schweiz. Das Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf stellt Rechtsabteilungen Interimsjuristen mit passender Industrieerfahrung und Kompetenzen zur Verfügung, um Engpässe in Rechtsabteilungen, wie bei erhöhtem Arbeitsaufkommen, Krankheitsausfällen oder Elternzeiten, zu überbrücken. Zusätzlich arbeitet es mit KI-Technologie, etwa durch eine Partnerschaft mit dem KI-Start-up Libra, um die juristische Arbeit zu optimieren und Juristen bei repetitiven Aufgaben und Analysen zu entlasten.